32 The Go-Betweens

2005

Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe schon sympathischere Leute als Robert Forster getroffen. Gleich zur Begrüßung erklärte mir der Go-Betweens-Sänger, dass er nicht fotografiert werden wolle. Begründung: „Wir sind alt. So etwas muss man uns vorher sagen, denn ohne Make-up läuft bei uns gar nichts mehr.“ Forster und McLennan waren damals 47 und sahen auch so aus, aber eine Schande ist das doch nun wirklich nicht.

Auch während des anschließenden Interviews in der Küche des Columbiaclubs wirkte Forster auf mich stets ein klein wenig zu aufgesetzt. Selbst relativ banale Aussagen gingen mit einer Mimik einher, die nur eines signalisieren sollte: Hier sitzt jemand, der bedeutende Sätze von sich gibt. Hin und wieder schaute Grant McLennan vorbei, um sich etwas zu essen zu holen, und quittierte Forsters Interview-Show mit einem verlegenen Lächeln. Er kannte seinen Robert schließlich lange genug.

Ihr habt bereits mehrere Alben aufgenommen, die als Klassiker gelten. Hattet ihr da nie das Gefühl, eigentlich nichts mehr beweisen zu müssen?

Robert: Um die Wahrheit zu sagen: Ein bisschen fühlen wir uns schon so. Aber man freut sich eben trotzdem immer noch auf den nächsten Song. Songs zu schreiben erfüllt uns und treibt uns an. Das Wissen, dass einige unserer Alben Klassiker sind, ist natürlich sehr schön, aber im Grunde denken wir darüber kaum nach.

Im Vergleich zu euren 80er Alben unterscheiden sich eure Platten nach dem Comeback nicht ganz so stark voneinander. Könntest du dir vorstellen, z. B. noch einmal zur Opulenz von „Tallulah“ zurückzugehen?

Robert: Alles ist möglich. Für mich sind die letzten drei Alben durchaus sehr unterschiedlich, aber vielleicht habe ich diese Einschätzung ja auch exklusiv, weil ich einfach zu nah dran bin. Vermutlich denke ich auch so, weil die Alben in so unterschiedlichen Orten wie Amerika, Melbourne und London aufgenommen wurden. Trotzdem halte ich „Tallulah“ für kein besonders gutes Beispiel, weil es sich halt nicht so gut anhört wie es sich anhören könnte, von den Begleitumständen während der Aufnahmen mal ganz zu schweigen. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass wir für die Aufnahmen unserer Songs auf ein Streich-Orchester zurückgreifen würden, man braucht eben auch die richtigen Songs, die nach so einer Instrumentierung verlangen. Für „Darlinghurst Nights“ z. B. musste man einfach auf Bläser zurückgreifen, und das haben wir ja dann auch getan. Vielleicht sind wir ja wirklich gerade in einer Gitarrenpop-Phase, aber das kann sich auch sehr schnell ändern. Gut möglich, dass wir demnächst wieder etwas folkiger werden; das weiß man nie, bevor man die Songs geschrieben hat.

Eure neue Single „Here Comes The City“ hat sowohl textlich als auch musikalisch eine gewisse Dringlichkeit. Haben Städte ganz allgemein etwas Bedrohliches für dich?

Robert: Nicht unbedingt etwas Bedrohliches, aber ich habe die Betriebsamkeit in den Städten schon immer sehr stark empfunden. Viele dieser Städte haben ja auch rein gar nichts mit dem Rest des Landes gemeinsam.

„Oceans Apart“ gehört zu euren besten Alben. Braucht ihr die Spannung, die von einer Stadt wie London ausgeht?

Robert: Ja, ein wenig Spannung ist schon ganz hilfreich. Deshalb sind wir auch wieder nach London gezogen. Wir wollten ein urban klingendes Album aufnehmen, und großstädtischer als in London geht es vermutlich nirgendwo zu. Ich sehe „Oceans Apart“ etwas glatter und künstlicher als seine Vorgänger, also nicht ganz so authentisch.

In den 80ern lastete auf den Bands ja noch der Druck, jedes Jahr ein neues Album machen zu müssen, während heutzutage eher eine Spanne von drei Jahren die Regel ist. Meinst du, die Band hätte sich vielleicht gar nicht erst auflösen müssen, wenn diese Maßstäbe schon damals gegolten hätten?

Robert: Nein, denn der Hauptgrund, warum wir so viele Alben aufgenommen haben, war ja eher das Geld. Ein neues Album hat uns in die Lage versetzt, auf Tour gehen zu können und ganz allgemein mehr Platten zu verkaufen. Die finanziellen Überlegungen spielten eine große Rolle für unsere regelmäßigen Veröffentlichungen.

„Streets Of Your Town“ wurde Ende der 80er nur ein kleiner Hit. Würdest du sagen, dass dies zu den größten Irrtümern der Popgeschichte zählt? Ich meine, eigentlich hätte dieser Song doch so etwas wie euer „Losing My Religion“ werden müssen.

Robert: Den Ausschlag gab wohl in erster Linie die Tatsache, dass wir damals nicht auf einem Major Label waren. Diese Single war im Grunde wie geschaffen für eine große Plattenfirma, und ich glaube, wenn Warner Brothers, Sony oder BMG diesen Song veröffentlicht hätten, dann wäre er auch ein Hit geworden. In Deutschland waren wir ja damals bei SPV, und das ist vermutlich die schlechteste Plattenfirma auf der ganzen Welt. Die Leute dort haben wirklich von nichts eine Ahnung, außer vielleicht von Heavy Metal.

Ich war ehrlich gesagt etwas erstaunt, als ich 1990 dein erstes Solo-Album „Danger In The Past“ gehört habe. Du warst ja immerhin so etwas wie der „Glamour Boy“ bei den Go-Betweens, daher hatte ich eher mit einem Album in der Tradition von Scott Walker gerechnet.

Robert: Ich wollte das nicht, einfach, weil ich den einfachen, reduzierten Sound nun einmal vorziehe. Außerdem gab es gerade in den 90ern schon genug Leute, die sich auf Scott Walker und Brian Wilson beriefen, was ich sogar sehr gut fand. Ich mag diesen musikalischen Reichtum von Scott Walker sehr, aber für meine eigenen Platten wollte ich Songs, die man auch ganz simpel zu dritt einspielen kann.

Du hast in der Vergangenheit auch ziemlich häufig mal mit deinem Äußeren experimentiert. Waren die anderen Mitglieder der Go-Betweens damals vielleicht zu schüchtern, um dir in dieser Hinsicht zu folgen?

Robert: Das glaube ich nicht. Ich bilde mir halt nur ein, mich in der Popgeschichte gut auszukennen. Es ist grundsätzlich aufregend, Leuten dabei zuzusehen, wie sie sich verändern, auch abseits der Musik. Wenn mal wieder ein Video gedreht wurde, war das für mich eine Herausforderung, etwas Neues zu probieren. Manchmal bin ich gerne nur ich selber, aber es gibt auch Phasen, in denen ich sehe, dass es viel mehr Möglichkeiten gibt, sich zu präsentieren. Es macht mir schon ein wenig Spaß, damit etwas herumzuspielen.

Ist deine Freundschaft zu Grant eigentlich immer noch das, was sie am Anfang eurer Karriere war?

Robert: Ja, das kann man so sagen. Die Leute wären wahrscheinlich überrascht, wenn sie wüssten, wie wenig sie sich verändert hat.

Gibt es denn wenigstens dann eine kleine Konkurrenzsituation, wenn ihr Songs schreibt?

Robert: Ja, und das hält uns ja auch in Bewegung. Das bleibt aber alles in einem klar abgesteckten Rahmen, schließlich gibt es auch so schon genug, wogegen wir kämpfen müssen. Ständig schaut man auf die neuen Bands, die kommen und gehen. Wenn wir uns dann auch noch selbst zu sehr Konkurrenz machen würden, dann würde uns das nur runterziehen.

Ihr seid ja auch stark von der Literatur und vom Kino beeinflusst. Hattest du nie den Wunsch, vielleicht mal einen Soundtrack zu schreiben?

Robert: Ganz ehrlich: Ich wüsste nicht, ob ich dazu in der Lage wäre. Wenn ich jedoch ein Angebot bekäme, dann würde ich alleine schon wegen des Geldes zusagen. Ich bin nun mal eher ein Songwriter und kein Soundtrack-Spezialist.

Hattest du je Angst davor, mittelmäßig zu werden, ohne das selbst zu bemerken?

Robert: Die Angst habe ich tatsächlich, und alles, was du dagegen tun kannst, ist, die eigene Messlatte noch höher zu legen. Man muss eben versuchen, weiterhin großartige Songs zu schreiben, anstatt sich auf seiner Vergangenheit auszuruhen. Man muss einfach immer den Fuß auf dem Gaspedal halten.

Während eines Konzertes in den USA hattest du mal ein Kleid an, was eure Karriere dort wohl ein wenig ruiniert hat. Trotzdem meintest du, du würdest in dieser Beziehung nichts bedauern. Was aber hat euch diese Aktion gebracht?

Robert: Sie hat uns gar nichts gebracht, sondern in Amerika einfach nur ein Kapitel abgeschlossen. Da wir uns aber kurz danach sowieso aufgelöst haben, spielte das auch keine Rolle mehr. Schwer zu sagen, ob das einen Einfluss darauf gehabt hätte, wie wir in den USA wahrgenommen worden wären. Das hätte man nur sagen können, wenn es kurz darauf noch ein neues Album gegeben hätte. Ich denke, wir wollten damit nur zeigen, wer wir wirklich sind. Wir waren damals ja auch sehr unzufrieden mit der Art und Weise, wie wir von der Plattenfirma behandelt wurden. Wir hatten mit Leuten zu tun, die nichts von Musik verstanden, genau genommen Musik noch nicht einmal mochten, was es womöglich leichter für sie machte, all diese Hairspray-Metal-Bands zu promoten. Nirvana waren damals noch nicht in Sicht, und deshalb haben die einfach nicht kapiert, wer wir waren.

Würdest du im Nachhinein sagen, dass es eine kindisch-provokante Sache war, auf der Bühne ein Kleid zu tragen?

Robert: Nein, weil ich das unter bestimmten Voraussetzungen sogar wiederholen würde. Ich habe ja damals auch vorher mit Grant darüber gesprochen, und er hat mir da absolut recht gegeben. Auch er fand, dass wir das tun sollten. Es entsprach uns einfach perfekt, so etwas zu machen. Wir sind eben so.

Was war der beste, und was der schlechteste Satz, der bisher über die Go-Betweens geschrieben wurde?

Robert: Sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht wäre das: „Die Go-Betweens können nicht spielen!“